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Wie finde ich als Startup eine passende und nachhaltige Verpackung?

Verpackungsmüll ist spätestens seit Bildern von Meerestieren in Kunststoffnetzen und der EU-Verordnung zu Einwegprodukten in aller Munde, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das Wissen, dass wir täglich mikroskopische Plastikpartikel zu uns nehmen hat zu einem Umdenken geführt. Dabei polarisiert das Thema der nachhaltigen Verpackungen beim Konsumenten stark. Online Händler werden im Internet öffentlich kritisiert, wenn die Versandverpackungen zu viel Luft haben und Supermärkte gefeiert, wenn Obst und Gemüse ohne Plastikhülle verkauft wird. Aber wie finden Startups zwischen den Extremen ihren Weg zur passenden Verpackung?

In einer Zeit, in der etablierte Unternehmen große Anstrengungen anstellen, um ihre Produkte auf nachhaltig umzustellen, gehören Startups zu den Firmen, die von Anfang an den Gedanken der Umweltverträglichkeit in ihrer Entwicklung mit einbeziehen. Diesen Vorteil, nicht die Trägheit bestehender Automatismen und Prozesse überwinden zu müssen, büßen sie allerdings an Erfahrung ein. Wer sich nicht mit der Thematik, die das Verpackungsuniversum bietet, beschäftigt, ist meist überrascht und überwältigt, wie Fragestellungen zur Verpackungsdimensionierung ausufern können.

Herausforderungen für Startups

Startups, die eine technische Neuerung oder ein Produkt auf den Markt bringen möchten, haben dabei den Vorteil, dass eine Verpackung für ihre Produkte vergleichsweise wenige Ansprüche stellt. Die Produkte müssen gegen Zerkratzen, Stöße und bei Elektronik und Verschiffung gegen Feuchtigkeit geschützt sein. Auch scheint der Verbraucher, so lange das Verhältnis Verpackung zu Packgut stimmt, hier toleranter gegenüber Kunstoffen zu sein als beispielsweise bei Lebensmitteln. Das teure Produkt möchte auch entsprechend geschützt und präsentiert werden um ohne Kratzer beim Kunden anzukommen. Vorteil der Startups im hochpreisigen Techniksektor ist auch, mehr Budget auf die Verpackung aufwenden zu können als bei Massenprodukten.

Quelle: Konkrua Thai Kochbox

Bei Startups der Lebensmittelbranche wie Wildcorn (www.wildcorn.de) aus Berlin oder Konkrua (www.konkrua.de) aus Stuttgart, bzw. solchen, die mit verderblichen Waren zu tun haben gestaltet sich die Verpackungsdimensionierung komplexer. Jede Verpackung wird als Sonderfall behandelt und muss die Anforderungen der Packguts erfüllen. Sollen Lebensmittel verpackt werden, die mit Sonnenlicht reagieren würden, in Verbindung mit Sauerstoff ihren Geschmack verändern oder kein Wasser verlieren dürfen, um Austrocknen zu verhindern?

Verpackungsdesign wirkt

Um sich aus der Masse der Konsumgüter abzuheben muss das Produkt herausstechen. Dabei sagen Experten, dass Werbung längst nicht mehr seine ursprüngliche Wirkung erzielt. Laut der Zeitschrift WirtschaftsWoche (www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/werbesprech-nie-war-die-botschaft-so-wertlos-wie-heute/23163046.html) wird der Mensch mit täglich mit bis zu 10 000 Werbebotschaften bombardiert, nimmt aber schon ab 3000 keine mehr wahr. D. h. ein Startup muss am Point of Sale auf sein Produkt aufmerksam machen. In maximal 2,5s entscheidet der Kunde vor dem Regal, welches Produkt er kauft. D.h. möchte ich, dass mein Produkt gekauft wird, muss es in einem Bruchteil der Zeit wahrgenommen werden und die Gefühle auslösen, die zum Kauf führen. In der kurzen Zeit kann textliche Kommunikation nicht wirken, Design, Konstruktion und vielleicht noch Textur müssen für sich sprechen. Eine starke Markenbotschaft in Richtung Nachhaltigkeit, verstärkt durch Farben oder Materialien schafft es im Moment noch herauszustechen. Um aber an dieses Alleinstellungsmerkmal zu kommen müsst ihr einige Hürden überwinden.

Wie finde ich die passende Verpackung für mein Produkt?

Zwar ist die Industrie mit Hochdruck dabei neue, nachhaltigere Materialien zu erforschen, allerdings sind die Prozesse bis zur Marktreife von neuen Verpackungsmaterialien durch Zertifizierungen z.B. zur Lebensmittelverträglichkeit (bspw. Nach DIN EN 15593 Hygienemanagement für Verpackungsherstellung) verlangsamt. Recherchen im Rahmen von studentischen Projekten zeichnen meist ein ähnliches Bild. Aus Gründen der Geheimhaltung werden Datenblätter zurückgehalten werden und die Informationen zur späteren Entscheidungsfindung sind kaum zu bekommen, bzw. Entscheidungen müssen nur aufgrund von Annahmen getroffen werden. Zusätzlich sind Startups in der misslichen Lage, nicht über die Mittel für Beratungen zu verfügen.

Wenn ihr eine Beratung in Anspruch nehmen wollt, solltet ihr euch entschieden haben, wie ihr für euch Nachhaltigkeit definiert, bzw. welchen Leitwert ihr verfolgen wollt. Durch die große Anzahl von Siegeln und Zertifikaten ist der Markt unübersichtlich geworden. Bei der Entscheidung, welche Materialien verwendet werden können, müsst ihr euch überlegen, ob man beim Materialeinsatz auf das jährliche Volumen, oder die Recyclingfähigkeit achten möchte. Beides wäre ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Beispielsweise sind Kompositfolien, die in den letzten Jahren vermehrt eingesetzt wurden, perfekt um den Materialeinsatz zu senken. Durch die Kombination verschiedener Folien mit unterschiedlichen Barriereeigenschaften, also welche Stoffe durch das Material treten können oder eben nicht, kann mit Material das Packgut optimal geschützt werden. Durch dünne Schichten besonderer Folien wird verhindert, dass Sauerstoff an das Produkt kommen kann und es verdirbt, Wasserdampf aber entweichen kann. Der Verbrauch an Verpackungsmaterialien sinkt, aber für das Recycling eignen sich Kompositfolien nicht. Die Schichten können nach dem Gebrauch nicht mehr getrennt werden und die Folie landet entweder in der Verbrennungsanlage oder auf der Deponie.

Bei Monofolien, bestehend aus einem Kunststoff, wird die Dicke der Folie so eingestellt, dass die benötigten Eigenschaften erreicht werden. Eventuell kann mit für das Recycling unbedenklichen Lacken nachgeholfen werden. Nachteile sind hier der vergleichsweise hohe Materialeinsatz und die damit verbundene Haptik. Die Menge an verbrauchtem Kunststoff steigt und die Folien können schlechter bedruckbar sein. Allerdings können diese Materialien, sofern sie dem Wertstoffkreislauf fachgerecht zugeführt werden, stofflich recycelt werden.

Quelle: Wildcorn

Das Berliner Startup Wildcorn, Hersteller besonderer Popcornsorten und anderer nachhaltig produzierter Snacks, hat sich dem Weg der optimalen Recyclingfähigkeit gestellt und zusammen mit der Consultingagentur für Recycling Interseroh und dem Allgäuer Folienhersteller innovia eine Monofolie passend zu ihrem Snacksortiment entwickelt und auf der Dresdner Verpackungstagung 2019 vorgestellt. „Für Anja Kreienberg, Projektmanagerin der Wildcorn GmbH ist die Verpackung das, was am Ende von den Wildcorn-Knabbersnacks übrigbleibt. Man habe sie deshalb von Anfang an konsequent als Wertstoff betrachtet und gleichzeitig erkannt, dass Nachhaltigkeit den Ansprüchen nur genüge, wenn sie gleichzeitig auch ökonomisch und produktgerecht sei.“ (https://www.verpackungstagung.org/bericht-2019.html). Wildcorn schafft damit ein schlüssiges Markenimage aus nachhaltiger Verpackung, natürlichen Zutaten ohne Zusätzen und Engagement in Nachhaltigkeitsprojekten.
Bei Überlegungen zur Verpackung spielt Startups der Fakt in die Karten, nicht dem hohen Kostendruck der Verpackungsbranche ausgesetzt zu sein. Bei etablierten Unternehmen werden Entscheidungen für oder gegen Verpackungslösungen nach zehntel Centbeträgen getroffen. Startups scheint, durch die Bereitschaft für Innovationen mehr zu zahlen, ein gewisser Freiraum seitens der Käufer in der Preisgestaltung eingeräumt zu werden. Startups bedienen zuerst meist Nischen, dadurch sprechen sie eine besondere Art Kunden mit mehr Probierfreude an und müssen sich vorerst nicht am Massenmarkt behaupten. Der erhöhte Preis der Verpackung kann auch bei der Entwicklung in die Überlegungen einbezogen werden.

Verpackungsdimensionierung ist ein riesiges Themengebiet. Im Artikel wurde nur an der Oberfläche gekratzt. Letztendlich müssen auch Versandwege, rechtliche Vorgaben und ein einfaches Packschema beachtet werden. Was am Ende bleibt ist immer ein „Soll das und gleichzeitig das können“. So wenig wie die eierlegende Wollmilchsau, existiert die perfekte, nachhaltige und günstige Verpackung. Letztendlich befindet man sich auf der Suche nach dem besten Kompromiss.
Und trotzdem, neben teuren Consultingfirmen gibt es die Möglichkeit sich anderweitig Hilfe zu holen, z.B. sich mit Startups, die sich die Gedanken schon gemacht haben oder Unternehmen der Branche zu vernetzen. Einige KMU’s aus der Verpackungsbranche haben den Wert von Innovationen erkannt und nehmen am Programm „ZEUS“ (https://bit.ly/2A7Ryef) (https://startupcenter-stuttgart.de/projekte/zeus/) teil. Bei der für 30. September geplanten Vernetzungsveranstaltung habt ihr die Möglichkeit euch mit Firmen aus der Branche und Startups auszutauschen, die den Weg zur nachhaltigen Verpackung schon gegangen sind. Die Unternehmen sind die im Verband dmpi (www.dmpi-bw.de) zusammengefasst und über diesen erreichbar.

Außerdem hat Stuttgart neben einer Startup-Infrastruktur auch einen Studiengang Verpackungstechnik (https://www.hdm-stuttgart.de/vt), bei dem Themen der Nachhaltigkeit ein großer Schwerpunkt sind. Der Austausch mit Studierenden hilft eine gewisse Ordnung in die Überlegungen zu bringen und Professoren haben schon aus Anfragen von Unternehmen Abschlussarbeiten oder Projekte für Studierendengruppen gemacht.

VERÖFFENTLICHT AM

23. Juni 2020

KONTAKT

Sven Schneider